Wir sind sehr stolz auf den ITB BuchAward 2020 für unsere „Perle Afrikas“.
Blick ins Buch? Hier entlang…
Laut der Ik lebte das Volk ursprünglich in Ethiopien und wanderte vor ca. 3000 Jahren erst nach Kenia ein, später in das Gebiet des heutigen Kidepo Tales. Das Wort Ik bedeutet „Der erste der hierher wanderte“.
Ende der 1950-er Jahre hat die Regierung beschlossen, im Kidepo Tal den gleichnamigen Nationalpark zu errichten, im Zuge der Errichtung wurden die Ik aus dem Tal vertrieben. Da sie von umliegenden Stämmen häufig überfallen und ausgeraubt wurden, sind sie nach und nach in die Morungole Berge geflüchtet.
Ursprünglich Jäger und Sammler, haben die Ik wegen der ständigen Raubüberfälle nicht nur der Karamojong sondern auch der benachbarten Stämme aus Kenia und Sudan, die Viehzucht aufgegeben. Zudem war eine Rinderhaltung in den Bergen sehr umständlich. In den Bergen haben sich Landwirtschaft, die Haltung von Ziegen sowie die Imkerei bewährt und wird bis heute praktiziert.
Der Britisch-Amerikanische Anthropologe Collin Turnbull verbrachte von 1965 bis 1967 bei den Ik und malte in seinem Buch „The Mountain People“ ein düsteres und sozialkritisches Bild über die Menschen und ihre Lebensweise. Als die katholische Mission in Kaabong den Vertretern der Ik das Buch vorstellte, waren sie über die Schilderungen mehr als schockiert und verschlossen sich allen weiteren Forschungsbemühungen. Mitunter gelang es in den 1980-er Jahren dem Sprachwissenschafter und Afrikanist Bernd Heine, dieses Bild und viele Schilderungen Turnbulls fast vollständig zu wiederlegen.
Seine 1985 veröffentlichen Studie „The Mountain People: Some Notes on the Ik of North-Eastern Uganda“ belegt in vielen Teilen was ich selbst 2018 sah, erlebte und/oder mir die Dorfältesten erzählt haben.
Der Weg vom Kidepo Tal führt stundenlang durch reizvolle Landschaften. Die Straße ist schlecht, eher eine Schotterpiste, fährt hier doch eher selten ein Auto. Anstatt von Fahrzeugen, sieht man Menschen auf der Straße, die ihre Waren und Tiere zum Markt transportieren, oder Viehhirten mit ihrer Herde. Wir wurden überall neugierig beäugt.
Natürlich geht man nicht mit leeren Händen zu Besuch. Was in aller Welt aber sind passende Geschenke für die Ik? Ganz sicher nicht Blumen und Pralinen! Die Ik freuen sich zum Beispiel über Salz, davon hatten wir 5kg in kleinen Päckchen dabei. Für die vielen Kinder hatte ich Bonbons dabei, pro Kind war ein Bonbon geplant. Eher eine bescheidene Geste als ein Geschenk – es gibt keinen Zahnarzt weit und breit. Es war eine Übernachtung geplant, ich habe also ein „Zimmer“ gebraucht. Geld wäre sinnlos – als gerade ein Mann mit einem Huhn vorbei ging, hat mein Guide und Dolmetscher Phillip selbiges als Geschenk für die Gastgeber-Familie vorgeschlagen. OK….
Nach einer kurzen Verhandlung waren wir im Geschäft! Das Huhn ist für den Rest des Weges hinten im Auto Schicksals ergeben „gesessen“.
Ab hier geht nur ein Trampelpfad auf den Berg. Im letzten Dorf am Fuß der Berge angekommen, wurde meine Begleitung zusammengestellt. Zwei bewaffnete Soldaten haben wir aus einem kleinen Stützpunkt in der Nähe schon „angeworben“. Schliesslich sind wir sehr nahe der unruhigen Grenze zum Süd-Sudan und Jason wollte auf Nummer sicher gehen, dass ich auch wieder zurück komme. Zwei weitere Träger wurden aus den umstehenden (und herbei gelaufenen Dorfbewohner) ausgesucht. Die Auserwählten mussten erst auf einem Bein stehen um zu zeigen, dass sie nüchtern sind. Manchmal sind die Auswahlkriterien erfrischend einfach! Jason hat jede Menge Essen für mich eingepackt, fast hätte ich mehrere Wochen da oben verbringen können. Aber er kennt mich und weiß, dass in Anbetracht der vielen großen Kinderaugen, kein Essen übrig bleiben wird …. ;)
Unsere Wanderung zu den Dörfern der Ik führte durch eine fantastische Berglandschaft, kleine Siedlungen fügen sich fast unsichtbar in die saftig grüne Hänge, wir durchqueren Maisfelder und Wiesen, neugierige Kinder mit kleinen Geschwistern am Rücken kichern verlegen und begleiten uns jeweils ein Stück. Der typische Wollumhang ist zwar nicht unsere erste Kleiderwahl bei den sommerlichen Temperaturen, wohl aber ein Schlüssel zu den Herzen der Ik. Wir werden überall äußerst neugierig und freundlich empfangen.
Wir hatten Glück – gerade wurde die Sprechstunde geöffnet. Die Mamas mit ihren Babys im Tragetuch warten geduldig, bis sie auf die Reihe kommen. Größere Kinder kommen alleine und stehen artig in einer Warteschlange, in der Hand ein kleines Heft. Sie alle werden untersucht, gewogen und gemessen. Alle Ergebnisse werden in die kleinen Hefte eingetragen. Wenn eine Impfung ansteht, wird auch die hier erledigt.
Der Weg führt immer weiter rauf. Kleine Mais- und Sorghumhirse-Felder wechseln sich ab, dazwischen Blumenwiesen und immer wieder uralte Bäume. Manche spenden Schatten und dienen als Rastplätze, manche sind Spielplätze für die vielen Kinder. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: sie gelten als heilig.
Die Ik leben im Einklang mit der Natur und sind ausgezeichnete Pflanzenkenner. Man schätzt dass jedermann zwischen 300-350 Pflanzen namentlich kennt und um die Verwendung der jeweiligen Pflanzenteile weiß.
Der Besitz von Bienenstöcken wird als Statussymbol angesehen: ein „anständiger“ Mann besitzt 50 Bienenstöcke und mehr. Bienenstöcke gelten übrigens auch als Zahlungsmittel für die Braut, je nach Verhandlung werden 5 bis 10 Stöcke bezahlt. Auch hier ist Polygamie weit verbreitet, ein Mann hat so viele Frauen wie er sich leisten (bezahlen) kann. Nach ca. 2 Stunden machen wir eine kurze Pause, natürlich läuft das ganze Dorf zusammen und begutachtet die seltenen Besucher. Allen voran der Ältester. Auf dem nachfolgenden Foto sieht man diesen Mann mit seinen Enkeln. Ein paar fehlen noch, erzählt er stolz. Wie alt er denn sei? Das weiß er nicht so genau. „Wahrscheinlich 100, sehr wahrscheinlich aber älter.“ Das genaue Alter interessiert hier eigentlich niemanden. Je älter man jedenfalls wird, desto würdevoller wird man behandelt.
Ich stelle noch ein paar Fragen, die Jungs spielen wieder Fußball. Wir gehen weiter, ein paar Kinder begleiten uns noch ein Stück.
Nach einer ca. 4-stündigen Wanderung ist unser Ziel erreicht: ein Dorf der Ik, das wir zwei Tage lang besuchen. Der Empfang ist freundlich aber zurückhaltend: alle lächeln, niemand spricht. Das macht der Dorfälteste, der sofort geholt wird und uns auf dem Versammlungs-Platz vor der Siedlung empfängt. Eine halbe Stunde lang hören wir gebannt seinen Erzählungen über die Ik, ihre Herkunft, ihre Lebensweise, ihre Riten. Phillip, mein Guide und Dolmetscher übersetzt das Icetot ins Englische, ein Aufnahmegerät läuft mit. Die Geschenke werden überreicht: Das Salz wird an die Familien verteilt, das Huhn bekommt die Hausfrau die uns ihre Hütte für die Übernachtung „vermietet“, die Süßigkeiten werden an die vielen, vielen Kinder verteilt. Wir schätzen, dass hier mindestens dreifach so viele Kinder wie Erwachsene leben, vielleicht noch mehr. Alle stehen im Nu in einer Schlange, der Bonbon wird sofort ausgepackt und in den Mund geschoben, artig bringen sie das Papier wieder zurück. Der Älteste ist zufrieden. Angesichts der großzügigen Geschenke und der freundlichen Gesinnung werden wir ins Dorf gelassen und von den vielen Kindern auf Schritt und Tritt begleitet. Das Huhn liegt bereits am Rost, bald gibt es Essen.
Die kleinen Dörfer umrandet jeweils eine Außenmauer aus Ästen und dornigen Zweigen, im inneren unterteilen weitere Zäune den Raum nochmals in sogenannte Odoks. In jedem dieser Odoks befindet sich ein Haushalt mit mehreren Lehmhütten, einer Feuerstelle und einer kleineren Hütte, die als Vorratskammer dient. Die kreisförmigen Hütten haben einen Durchmesser von ca. 3-3,5 Meter, einen Unterbau aus Lehm und ein Dach aus Holzgeäst und Schilf. Geschlafen wird am Boden auf einem dünnen Rind- oder Ziegenfell, die Kleidung besteht aus wollenen Umhängen die nachts als Zudecke dienen. Kinder und Eltern schlafen in verschiedenen Hütten, überhaupt werden Kinder ab ca. 5 Jahren von der Großmutter betreut, bis sie ca. 13 Jahre alt sind. Ein Mädchen kann aber schon im Alter zwischen 7 und 10 Jahren verlobt werden, es trägt fortan ein Verlobungs-Armband und darf sich nicht mehr mit anderen Jungen treffen. Auch hier ist eine vorangehende Verhandlung der Eltern sowie die Bezahlung für die Braut eine gängige Praxis, der Preis variiert nach Stand und Möglichkeiten, es wird aber meist mindestens der gleiche Preis verlangt, der für die Brautmutter bezahlt werden musste. Der Preis wird in Raten bezahlt und es wird nicht erwartet dass der Bräutigam den Betrag entrichtet bevor seine älteren Brüder ihre Raten vollständig bezahlt haben. Ehebruch ist so gut wie unbekannt.
Das Abendessen ist fertig, die Dorfälteren versammeln sich in unserem Odok. Die meisten Ik sind Analphabeten. Wir erfahren dass zwar nicht viele – eigentlich niemand – jemals in der Schule war, aber eine (!) Vertreterin des Stammes besucht die Universität in Kampala und wird die erste Akademikerin des Stammes. Darauf seien alle Ik sehr stolz. Es werden Geschichten erzählt, ich lausche gespannt und mache Notizen.
Zwischen Ende Dezember und Anfang Januar wird das Getreide in einer Zeremonie gesegnet, das landwirtschaftliche Jahr ist damit „offiziell“ eröffnet. Man bittet nach wie vor unter einem heiligen Baum um Regen und trägt dort auch andere Bitten vor, die ggf. mit Tieropfergaben bestärkt werden. Hier finden auch wichtige Besprechungen der älteren statt.
Daneben werden verschiedene Riten praktiziert, z.B. der Ritus des „Mann Werdens“ – der Kandidat muss mit einem Speer einen Ziegenbock mit nur einem Wurf in die rechte Seite töten. Kommt die Spitze des Speers auf der anderen Körperseite zum Vorschein oder stirbt das Tier nicht sofort, muss ein neues Tier bereitgestellt werden und die Prozedur wiederholt sich.
Noch wichtiger ist „Tasapet“, der Aufnahmeritus in den Rat der Älteren. Hierzu muss ein Mann alleine einen Monat im Wald (über)leben und – noch wichtiger – einen Stier töten. Dies wird zunehmend schwieriger, da das Tier gekauft werden muss und die Preise sehr hoch sind.
Für die Kinder war ich ohne Zweifel die absolute Attraktion, so jemand kommt nicht alle Tage vorbei! Kaum bin ich in meine Hütte gekrochen um etwas zu holen, war der Eingang voller neugieriger Gesichter. Also gut: „Wer von euch möchte hier bei mir in der Hütte übernachten?“
Niemand.
Es wurde ruhig im Dorf, die Kinder waren auf einmal verschwunden. Sie seien beim Abendgebet, erklärt man uns. Irgendwo im Dorf weinte ein Baby. Mehrere Frauen fingen an zu singen, das Baby beruhigte sich sofort.
Als ich im Schlafsack lag, hörte ich leise Schritte und ein Kinderflüstern. An die 10 Kinder haben sich in meine Hütte geschlichen, sich am Boden zusammen gekuschelt und in meiner Hütte übernachtet. Herrlich!
Erst mal Kaffee. Natürlich hatten wir alles dabei: Tassen, Löffel, Pulverkaffee, Zucker. Auch die Frauen wollten unseren Kaffee probieren. Danach habe ich mich in den Odoks der Siedlung umgeschaut. Bevor alle auf die Felder gehen, wird erst mal die Hausarbeit erledigt.
Der Boden am Versammlungsplatz vor dem Dorf ist festgetreten, kein Pflänzchen wächst hier. Die Jungs spielen hier Fußball mit zusammengebundenen Lumpen. Einmal sei hier ein Hubschrauber gelandet, man hat eine Dokumentation gedreht. Alle Bewohner wollten den seltsamen Blechvogel anfassen, das brächte Glück, erzählt uns der Älteste. Heute versammelt sich hier das ganze Dorf um uns mit traditionellem Tanz und Gesang zu verabschieden. Die Frauen haben Kronkorken dicht an dicht an einem Band befestigt und um die Waden gebunden. Bei jeder Bewegung ertönen sie wie Tamburine.
Ein paar Worte zum Abschied und wir müssen los. Wann wir wohl wieder kommen? Und falls ja, ob wir vielleicht anstatt von Salz, ein paar neue Umhänge mitbringen könnten?
Zum zehnjährigen Jubiläum des MONDBERGE-Charity-Projekts ist im Juli 2019 der 312 Seiten starke Bildband „Perle Afrikas“ in seiner dritten, vollständig überarbeiteten und erweiterten Auflage erschienen. Ausdrucksstarke Fotos und besondere, fühlbare Veredelungen machen das Blättern und Betrachten zu einem visuellen und haptischen Erlebnis. Mehr als 380 Bilder von Bergen, Wäldern oder Savannen, von Berggorillas, Nashörnern, Giraffen oder Elefanten und von indigenen Naturvölkern bestätigen den Ruf Ugandas, das schönste Land Afrikas zu sein. Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie langfristig Hilfsprojekte in Uganda, zum Schutz der Berggorillas. Hier kann man einen Blick reinwerfen und hier das Buch bestellen. Wie immer geht ein Teil der Erlöse nach Uganda!
Ein kulinarischer Streifzug durch Bangkok's Winkelgassen. An jeder Straßenecke kann man etwas zum essen kaufen Read more
Vestfirðir. Es sind nicht nur die spektakulären Landschaften, die ein Besuch der Westfjorde in Island Read more
© Copyright radmilaontour.de | Impressum | Datenschutz
Ein kulinarischer Streifzug durch Bangkok's Winkelgassen. An jeder Straßenecke kann man etwas zum essen kaufen Read more
Vestfirðir. Es sind nicht nur die spektakulären Landschaften, die ein Besuch der Westfjorde in Island Read more
Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. This category only includes cookies that ensures basic functionalities and security features of the website. These cookies do not store any personal information.
Any cookies that may not be particularly necessary for the website to function and is used specifically to collect user personal data via analytics, ads, other embedded contents are termed as non-necessary cookies. It is mandatory to procure user consent prior to running these cookies on your website.